Wein
Spezialitäten
Im Laufe der letzten Jahrzehnten erreichten die Tessiner Rotweine qualitätsmässig internationales Niveau. Bei Wettbewerben findet man sie zwischen den weltbesten. Die am weitesten verbreitete Rebesorte in der italienischen Schweiz (82 %) ist derselbe Merlot, für welche die Produktion im Bordeaux berühmt ist und aus dem man heute auch Weisswein mit ausgezeichneten Resultaten macht. Um die Beziehung des Merlot mit dem Tessiner Territorium zu verstehen, präsentieren wir hier eine Tour zu den Orten, an denen vor mehr als hundert Jahren die ersten Weinstöcke dieser Sorte gepflanzt wurden und einen Besuch in der "Corte del Vino", welche über etwa 200 Marken von Tessiner Weinen verfügt.
Aus den Tessiner Trauben, die in der Regel Ende September reif sind, gewinnt man einen Wein von rubinroter Farbe, intensiv und lebhaft im Geschmack, von ausgewogenem und entschiedenem Charakter, der sich gut zur Reifung in kleinen Eichenfässern eignet.
Im Tessin findet man zwei verschiedene Arten Terrain, die geografisch dem Süden und dem Norden des Kantons entsprechen und daher dem Wein ihre Note geben. Je nach Terroir, Herkunft und Keltermethode können die Tessiner Merlots Gerichte mit reichhaltigen und geschmackvollen Saucen begleiten, rotes Fleisch, gegrillt, gebraten oder geschmort, Wild, und die ausgezeichneten Käse von den zahlreichen Alpen auf den Bergen der Region.
Die Geschichte des Weins im Tessin
Die Einführung der Merlot-Traube im Tessin reicht etwas mehr als ein Jahrhundert zurück. Ihre Bestellung die langsam aber sicher jene der autochthonen Reben ersetzt hat, wurde vom Staat stark gefördert, nachdem die Tessiner Weintrauben, wie auch die in halb Europa, durch die Reblaus, eine von Amerika eingeführte Krankheit, zerstört worden waren.
Die im Tessin aus Merlot-Trauben produzierten Weine brauchten lange, bis sie sich behaupten konnten. Einige Genossenschaftskellereien und ein paar Betriebe begannen mit der Produktion gegen Mitte 19. Jhd.. Insbesondere die Firma Matasci aus Tenero mit ihrem „Selezione d’Ottobre“ (noch heute sehr verbreitet) sorgte auf der Alpennordseite dafür, dass der Tessiner Merlot bekannt wurde.
Die grosse Revolution im Bereich der Tessiner Önologie erfolgte jedoch in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts und ist mit einer Gruppe von Deutschschweizer Intellektuellen mit akademischer Ausbildung verbunden, die den Tessin als „Adoptionsheimat“ gewählt hatten, angezogen vom Klima und der südlich-lateinischen Kultur. Es war diese Gruppe, angeführt von Christian Zündel, Daniel Huber, Werner Stucky und Adrian Kaufmann, die einen neuen Wind in die kantonale önologische Welt brachten und Weine anboten, die sich von der Tradition des Bordeaux inspirieren liessen. Gleichzeitig hatten jedoch auch einige „Väter“ der modernen Tessiner Önologie (Fabio Arnaboldi, Luigi Zanini, Cesare Valsangiacomo, Claudio Tamborini und Sergio Monti) diesen Weg eingeschlagen und begannen, Kurse an der Universität in Bordeaux zu frequentieren. Heute sind es immer mehr Junge, die nach einem Önologiestudium beschliessen, ins Tessin zurückzukehren, um einen eigenen Weinbetrieb aufzubauen.
Angeführt von etwa zehn grossen Kellereien, welche ausgezeichnete Weine produzieren, kennt die Tessiner Önologie bisher noch keine Krise, ja sie kann sogar behaupten, vollen Wind in den Segeln zu haben, da sie den richtigen Weg eingeschlagen hat, indem sie rigoros auf Qualität setzt.
Obwohl hauptsächlich an die Weinproduktion gebunden, blüht im Tessin (jedoch) auch jene der Schnäpse. Besonders beliebt ist der Grappa (vor allem den aus amerikanische Traube), den man aus der Destillation des Tresters nach dem Pressen der Trauben gewinnt, sowie der Aquavit, destilliert aus gestampften und fermentierten Trauben. Eine typische Spezialität des Territoriums ist der „Nocino“, ein sehr aromatischer Likör aus noch grünen Nüssen, die in Grappa aus amerikanschen Trauben eingeweicht und mit Zucker und Gewürzen angereichert wurden.
Corte del Vino
Etwa vierzig Kellereien, die für 90 Prozent der kantonalen Weinproduktion stehen offerieren ungerähr 250 Marken von Tessiner Weinen in der „Corte del Vino“, eingeweiht im März 2017 in den romantischen Räumen des Mulino del Ghitello aus dem 17. Jhd. in Morbio Inferiore (Autobahnausfahrt Chiasso). Der gesamte Weinkanton ist in dieser Ausstellung gegenwärtig, welche bezweckt, den Gotha der Tessiner Weinkultur zu repräsentieren, mit fachkundigem Personal, das Sie berät und um Ihnen die reichhaltigen Facetten der Tessiner Weine entdecken zu lassen. Die Degustationen werden von Spezialitäten begleitet, die ihrerseits die ausgezeichnete Tessiner Gastronomie bezeugen.
Öffnungszeiten: Mittwoch - Sonntag.
Über das ganze Territorium verteilt gibt es viele angezeigte Wege durch die Weinberge. Wir schlagen einen “historischen” Spaziergang im Malcantone vor, wo der Merlot erstmals angebaut wurde, und einen im Mendrisiotto, der weinbergreichsten Region des Kantons.
Rundgang 1: Zu den Ursprüngen des Merlot (2 St., Karte)
Die hier vorgeschlagene Tour folgt in grossen Zügen der Geschichte des Merlot im Tessin. Angezeigt als Tracce d’uomo (Spuren des Menschen) verläuft sie rund um Castelrotto, eine ausgesprochene Weinregion. Genau hier war es, als zu Beginn des 20. Jhd. Giovanni Rossi die ersten Experimente mit der Merlot-Rebe machte, nachdem eine Reblausepidemie Ende des vorherigen Jahrhunderts die gesamten kantonalen Weinberge zunichte machte. Jetzt hat die Kellerei Tamborini, ein vielfach prämierter Betrieb, in Castelrotto ein B&B eröffnet, mit einem Restaurant und Degustations- und Verkaufsstelle. Der Spaziergang führt auch nach Beride, wo zwei Pioniere der Wiedergeburt des Tessiner Weins in den 80er-Jahren keltern: Christian Zündel und Adriano Kaufmann.
Der Rundgang beginnt beim Schulzentrum Lüsc, wo man parken kann. Man geht zu Fuss einige hundert Meter die Fahrstrasse entlang in Richtung Castelrotto und sodann den Wegweisern Tracce d’uomo folgend, steigt man linkerhand hoch bis zur Kirche (12. Jhd.). Bei einem Brunnen im Dorfzentrum angelangt und nach einer scharfen Rechtskurve, geht links von der Strasse eine Treppe nach oben bis zum Eingang der Villa Orizzonte, das Wohnhaus von Giovanni Rossi, dem man die Einführung des Merlot auf dem Tessiner Territorium verdankt. In den Weinbergen hinter der eleganten Villa aus dem 19. Jhd. begann das Abenteuer des Merlot im Kanton. Heute werden sie von Christian Zündel gepflegt und bestellt.
Weiter geht es dem Strässchen entlang, bis zum Weingut Vallombrosa. Auch hier wurden die ersten Rebstöcke von Giovanni Rossi für seine Experimente angepflanzt. Heute werden sie von der Kellerei Claudio Tamborini bestellt, die 2012 mit dem Preis als beste Schweizer Kellerei ausgezeichnet wurde.
Man geht zum Dorfbrunnen zurück und nimmt die Strasse nach Ronco. In der Nähe einer Brücke zweigt man nach rechts ab und folgt weiter den Schildern Tracce d’uomo. Man betritt den Wald und trifft zuerst auf ein kleines Kellerhäuschen und danach auf eine antike Käserei (heute ausser Betrieb), in deren Nähe eine nicht asphaltierte Strasse hochsteigt und an einem herrlichen Aussichtspunkt endet, von dem aus man die Weinberge von Christian Zündel und Adriano Kaufmann in ihrer ganzen Ausdehnung überblickt. Bei einer Kreuzung angelangt, geht man nach Ronco hinunter, falls man die Tour verfolgen will. Will man hingegen die Kellereien von Zündel und Kaufmann besuchen (nur gegen Vereinbarung), muss man nach Beride hinauf. Die Kellerei Zündel befindet sich hinter der Kirche, die von Kaufmann hingegen etwa 200-300 Meter in der Gegenrichtung, die Fahrstrasse nach Bedigliora einschlagend.
Nach einem Abstecher zu den beiden Kellereien kehrt man zur Kreuzung zurück und folgt wieder den Tracce d’uomo, abwärts Richtung Ronco. Am Weg sind weitere zwei Abzweigungen angegeben. Die erste führt zur sogenannten giazzera, ein Eiskeller, das heisst eine ca. 4 Meter tiefe Grube, die mit gepresstem Schnee gefüllt wurde und zur Konservierung von Lebensmitteln diente. Die zweite, in Ronco, führt zum roccolo (Vogelturm), erbaut gegen Ende des 18. Jhd., um die vorbeiziehenden Vögel zu verscheuchen. Durch üppige Kastanienwälder gelangt man schliesslich wieder zum Ausgangspunkt zurück.
Rundgang 2: Weinstrassen im Mendrisiotto (3 St., Karte)
Der zweite Ausflug führt uns hingegen ins Mendrisiotto, den südlichsten Teil des Tessins. Diese herrliche Gegend, die mit ihren Hügeln und antiken Dörfern an die Toskana erinnert, ist die reichste an Weinbergen im Tessin. Hier entstehen exzellente Weine, dank einer günstigen geologischen Lage, die einen qualitativ hochstehenden Rohstoff garantiert.
Der Rundgang beginnt in Seseglio, ein kleines Dorf am Fusse des Hügels Penz. In der Zone Moreggi weist der „Rastplatz der Pilzsammler“ („sosta dei fungiatt“) auf den mykologischen Reichtum der Hügellandschaft mit seinen 500 verschiedenen Arten von Pilzen hin.
Zwischen Weinbergen und Laubwäldern spazierend, erreicht man den südlichsten Punkt der Schweiz: Laghetto (‚kleiner See’; A.d.Ü.), eine Ortschaft, die so genannt wird obwohl es dort keinen See gibt, um sodann an einen Aussichtspunkt zu gelangen, der sich zu einem weiten Blick auf die Umgebung öffnet.
Das malerische Dörfchen Pedrinate und, abgelegen auf dem Hügel, die Kirche Santo Stefano (leider meistens geschlossen) bereichern den Spaziergang mit ihrer Geschichte.
Eine Kuriosität: eine lange gerade ausgerichtete Reihe von Birken säumen den Weg. Man erzählt sich, dass ihre weissen Stämme bei Nacht den Schmugglern als Wegweiser dienten.
Dem Weg entlang findet der Ausflügler zahlreiche Hinweistafeln mit Informationen über die Veredelung und Pflege der Reben, über die Vegetationsperioden und den Schutz vor Krankheiten.